Ergänzung 2.6: Differenziale und Ableitungen   (4/4)

Die Geschwindigkeit einer Strömung als Beispiel eines Vektors

Die bisher entwickelte Systematik gilt nicht nur für skalare Größen wie etwa die Temperatur, sondern auch für Vektoren, zum Beispiel für den Geschwindigkeitsvektor. Ersetzen wir in der Gleichung

dT dt = T t + v T

T durch v, so wird:

d v dt = v t +( v ) v

Die Begriffe 'Lagrange- und Euler-Darstellung' sowie 'konvektiver Term' werden hier in gleicher Weise genutzt. Auffällig ist allerdings die Klammersetzung. Was bedeutet sie?

Der Term v T im Beispiel zur Temperatur ist das Skalarprodukt der beiden Vektoren v und T. Auf die Reihenfolge der Produktbildung kommt es hier allerdings nicht an: man kann auch zunächst v berechnen und das skalare Ergebnis auf T anwenden.

Der Ausdruck v wäre jedoch nicht definiert, weshalb es hier auf die Reihenfolge der Produktbildung ankommt. Dies verdeutlicht die Klammer im Term ( v ) v . Zunächst wird das Produkt

v =u x +v y +w z

gebildet und das Ergebnis - ein Skalar - mit v multipliziert,

( v ) v =u v x +v v y +w v z

in Komponenten:

( v )u=u u x +v u y +w u z ( v )v=u v x +v v y +w v z ( v )w=u w x +v w y +w w z
Aufgabe 5: Nabla-Operator und Geschwindigkeitsvektor

Die totale Ableitung der Geschwindigkeit wird somit in Komponenten:

du dt = u t +u u x +v u y +w u z
dv dt = v t +u v x +v v y +w v z
dw dt = w t +u w x +v w y +w w z

Dies sind die kinematischen Grundgleichungen der physikalischen Beschreibung von Strömungen: sie präzisieren den Begriff der Beschleunigung deformierbarer Medien wie etwa Luft und Wasser.

Werden Kräfte als Ursachen von Beschleunigungen in den Gleichungen ergänzt, erhält man die hydrodynamische Bewegungsgleichung. Gehört zu den Kräften auch die Reibung, so ist das Ergebnis die Navier-Stokes-Gleichung der Hydrodynamik.

Mechanik der Massenpunkte und der deformierbaren Medien

 

Die folgende Abbildung zeigt die Trajektorien von Oberflächendriftern, in diesem Beispiel mit einem Farbkeil, der die Driftgeschwindigkeit in m/s angibt. Zu erkennen ist, dass die Driftgeschwindigkeiten sehr variabel sind und auch auf der offenen See hohe Werte annehmen. Dies ist ein Beispiel der Lagrange-Darstellung von Driftgeschwindigkeiten.

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Driftwege bei der Dominikanischen Republik und Puerto Rico
Trajektorien von 18 Oberflächendriftern im Bereich der Dominikanischen Republik und Puerto Rico. Der Farbkeil zeigt die Driftgeschwindigkeit in m/s.
Quelle: Caribbean Coastal Ocean Observation System (Caribbean IOOS).

Die nächste Abbildung zeigt eine Zeitreihe der Meeresströmung über zwei Tage im niedersächsischen Wattenmeer bei Spiekeroog. Aufgetragen ist der Betrag der Strömungsgeschwindigkeit, die durch die halbtägige Gezeit geprägt wird, und die durch das Spiekerooger Seegatt vorgegebene Nord-Süd-Richtung der Strömung. Dies ist ein Beispiel für die Euler-Darstellung einer Strömungsgeschwindigkeit.

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Strömung im Spiekerooger Seegatt
Strömungsdaten bei einer Messstation im Seegatt von Spiekeroog. Mitte und unten: Betrag und Richtung der Strömung. Oben rechts: Vektoren der Strömungsgeschwindigkeit aufgetragen in einem Polarkoordinatendiagramm.

Mit der von Satelliten aus genutzten Radar-Altimetrie können aus der gemessenen Topografie der Ozeanoberfläche die globalen Meeresströmungen bestimmt werden. Auch hierzu findet sich auf der Seite externer Links ein Verweis zu einem mehrjährigen Video des NASA Scientific Visualization Studio als Beispiel einer Lagrange-Darstellung der Meeresströmungen.