Ergänzung 7.3: Raman-Streuung (3/6)
Molekülschwingungen
Moleküle bestehen aus Massen (den Atomen), die durch Bindungskräfte zusammengehalten werden. Diese Bindungen wirken vergleichbar wie Federn, und so sind Moleküle zu Schwingungen fähig. Molekülschwingungen werden durch Stöße angeregt und verändert. Je nachdem, wie komplex ein Molekül aufgebaut ist, kann es auf verschiedene Weise schwingen; man bezeichnet dies als unterschiedliche Schwingungsmoden. Bei zweiatomigen Molekülen wie beispielsweise Sauerstoff (O2) und Stickstoff (N2) schwingen die beiden Atome gegeneinander um den gemeinsamen Schwerpunkt. Das gewinkelte Wassermolekül kann in drei unterschiedlichen Moden schwingen, die in dem folgenden Bild gezeigt sind. Die Frequenzen, mit denen diese Schwingungen stattfinden, können mit dem Hookeschen Gesetz aus den Massen und Bindungseigenschaften ber4echnet werden, sie sind in der Grafik angegeben.
Elektromagnetische Wellen
Ein elektrisches Feld mit der Feldstärke erzeugt in Atomen und Molekülen elektrische Dipole mit einem Dipolmoment
Hier ist α die Polarisierbarkeit, eine stoffspezifische Größe, die angibt, wie stark ein Atom oder Molekül in einem elektrischen Feld polarisiert werden kann. Wassermoleküle besitzen ein permanentes Dipolmoment, das sich allerdings durch die Molekülschwingungen periodisch ändert. Für die Polarisierbarkeit kann man daher schreiben:
In der Gleichung ist αm die mittlere Polarisierbarkeit und αo die Polarisierbarkeit, die sich durch die Molekülschwingung mit der Frequenz fo periodisch ändert.
Wir betrachten nun eine elektromagnetische Welle im Wasser. Die elektrische Feldstärke der Welle ändert sich zeitlich entsprechend
wobei die Amplitude der Welle und f ihre Schwingungsfrequenz ist.
Für die Polarisierbarkeit des Wassermoleküls ergibt sich dann:
Trägt man die Werte der sich so ergebenden Polarisierbarkeiten über den zugehörigen Frequenzen auf, so ergibt sich folgendes Bild:
Schwingende elektrische Ladungen strahlen elektromagnetische Wellen ab. Die hier berechnete oszillierende Polarisierbarkeit des Wassermoleküls geht daher mit der Emission solcher Wellen einher; sie stellen das Streulicht dar, das durch die einfallende elektromagnetische Welle am Wassermolekül entsteht.
- Es gibt eine Komponente, deren Frequenz mit der Frequenz f der einfallenden Welle identisch ist. Diese elastische (d.h. energieerhaltende) Streuung wird als Rayleigh-Streuung bezeichnet.
- Daneben gibt es zwei Komponenten, deren Frequenz um die Frequenz der Molekülschwingung fo zu kleineren und größeren Werten verschoben ist. Dies ist eine inelastische (nicht energieerhaltende) Streuung, die als Raman-Streuung bezeichnet wird. Der Anteil kleinerer Frequenz wird Stokes-verschoben, derjenige größerer Frequenz anti-Stokes_verschoben genannt.
Das Ergebnis zeigt, dass eine durch Molekülschwingungen veränderliche Polarisierbarkeit (αo>0) eine Voraussetzung für das Auftreten der Raman-Streuung ist.
Auffällig ist weiterhin, dass die Polarisierbarkeiten der beiden Raman-Linien identisch sind und somit die Streuintensität der beiden Linien gleich hoch sein sollte. Tatsächlich ist die anti-Stokes-Linie jedoch typisch 1000fach schwächer als die Stokes-Linie. Diesen Effekt kann die elektromagnetische Theorie nicht erklären. Im Rahmen der Quantentheorie ist er jedoch sehr einfach zu verstehen.