2. Ökosysteme   (4/6)

Nährstoffe

Einen der größten Unterschiede zwischen dem offenen Ozean und küstennahen Bereichen des Meeres stellt die Nährstoffmenge dar, die den marinen Ökosystemen zur Verfügung steht. Nährstoffe sind für das Wachstum von Algen unerlässlich. Bevor wir genauer darauf eingehen, wie sich ein Überschuss an Nährstoffen auswirkt, beschäftigt sich dieses Kapitel im Folgenden mit Nährstoffen allgemein und mit dem jahreszeitlich bedingten Wachstumszyklus der Algen.
Large Seaweed
Seetang

Für die Bildung organischen Materials werden Elemente wie Stickstoff (N) und Phosphor  (P) benötigt. Diese Elemente kommen in Form von Nährstoffen wie Nitrat (NO3-), Ammonium (NH4+) und Phosphat  (PO43-) vor. Die Nährstoffgehalte sind in küstennahen Gewässern höher als im  offenen Ozean. Trotzdem kann das Wachstum des Phytoplanktons   die Nährstoffkonzentrationen in küstennahen Bereichen des Meeres stark reduzieren, bis das Nährstoffangebot ausgeschöpft ist. Die Algen begrenzen somit ihr eigenes Wachstum.

Die Hauptquelle für Stickstoff und Phosphor in den küstennahen Meeren Europas sind Einträge aus Flüssen. Die Flüsse nehmen Nährstoffe auf, die von menschlichen Aktivitäten herrühren (Abwässer, landwirtschaftliche Dünger und  Mist) und transportieren sie in die Küstengewässer. Im Laufe der letzten 20 Jahre sind die Phosphoreinträge stärker gesunken als die Einträge an Stickstoff.

Die jährlichen Schwankungen des Nährstoffangebotes sind durch Schwankungen der zufließenden Wassermengen zu begründen, welche wiederum von dem Jahresniederschlag und Schneefall an Land abhängig sind. Dies hat im Küstenbereich jährliche Schwankungen der Nährstoffkonzentrationen und während der letzten 20 Jahre eine Änderung der C/N-Verhältnisse zur Folge. Daher wird sich die Algenzusammensetzung verändern, was sogar dazu führen könnte, dass Arten, die sich negativ auf die Gesundheit von Muscheln und Menschen auswirken (toxisch wirkende Algen), bevorzugt werden.

Die Art und Menge des Algen-Planktons im Fluss hängt davon ab, wie lange das Wasser braucht, um bis zum Meer zu fließen. In schnell fließenden Flüssen mit kurzen Fließstrecken haben die Algen keine Zeit, sich zu vermehren. Die Konzentrationen sind generell niedrig und es überwiegen meist kleine Algen, die schneller wachsen, als die größeren Algen, die in Seen zu finden sind. Daher führen die Flüsse vor allem suspendierte Sedimente mit, sowie totes organisches Material, Nährstoffe und Schadstoffe wie Schwermetalle, PCBs und so weiter.

Nährstoffeinträge vom Land im Laufe der Jahre:

Vor allem aufgrund der strengen Vorschriften bei der Nutzung von Düngern und der zunehmenden Nutzung und Effizienz von Abwasseraufbereitungsanlagen haben die Stickstoff- und Phosphoreinträge in Küstengewässer während der letzten Jahrzehnte abgenommen.

Nutrient loading history
Aus Flüssen stammende Nährstoffenträge in die Nordsee (P in blau und N in rot).
Quelle: PBL, Niederlande

Beachten Sie, dass die großen Zuflüsse aus dem Rhein und der Maas in den Jahren 1994 und 1995 zu einem temporären Anstieg der Nährstoffeinträge geführt haben. Die Phosphoreinträge sind stärker gesunken, als die Menge an eingetragenem Stickstoff.

Primärproduktion

Im Meer, wie auch an Land, werden bei der Photosynthese Lichtenergie aus dem Sonnenlicht, Kohlendioxid und Nährstoffe wie z.B. Stickstoff und Phosphor gebraucht, um kohlenstoffreiches pflanzliches Material zu erzeugen. Dieser natürliche Prozess wird Primärproduktion genannt und bildet die Grundlage der marinen Nahrungskette. Außerdem liefert er den größten Teil des Sauerstoffs in der Atmosphäre. Ohne die Primärproduktion sähe die Welt sehr anders aus und wäre ein lebensunfreundlicher Ort.

World primary Productivity
Schätzung der jährlichen Produktivität der Ozeane der Welt in Milligramm organisch gebundenem Kohlenstoff pro Kubikmeter, auf Grundlage von Schätzwerten der Chlorophyll-Konzentrationen im Oberflächenwasser. Chlorophyll absorbiert bestimmte Wellenlängen des Lichts stärker als andere. "Verschwinden" diese Wellenlängen also aus dem vom Meer zum Satelliten reflektierten Lichtspektrum, kann berechnet werden, wie viel Chlorophyll vorhanden ist.
Quelle: NASA

Eisendüngung

In den letzen Jahren wurde die Rolle von Eisen als Mikronährstoff für die Primärproduktion zunehmend diskutiert. Grüne Algen benötigen Eisen für mehrere lebenswichtige Prozesse, beispielsweise die Stickstofffixierung und die Nitratreduktion.   Ein großer Anteil des Eisens in den Ozeanen gelangt über den Windtransport von Wüstenstaub ins Meer.

In Bereichen des Meeres, die von Wüsten weit entfernt sind, oder die nicht von Staub mitführenden Winden erreicht werden (zum Beispiel der Süd- und Nordpazifik) kann der Eisenmangel die Primärproduktion erheblich limitieren. Die geringen Mengen an pflanzenverfügbarem Eisen führen dazu, dass das Phytoplankton hier nur langsam wächst und ein Überangebot an anderen Nährstoffen im Wasser verbleibt.  Darum gelten diese Gebiete als nährstoffreiche, chlorophyllarme Regionen (auch HNLC genannt, vom englischen High-Nutrient Low-Chlorophyll). Manche Wissenschaftler nehmen an, dass diese Gebiete eine Rolle bei der Verminderung der globalen Erwärmung spielen könnten. Sie sind der Meinung, dass durch die Düngung dieser Bereiche des Meeres die Primärproduktion erhöht wird, was eine Verringerung der Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre zur Folge hätte.

Iron fertilization
Langfristige Effekte der Eisendüngung sind noch unbekannt.
Quelle: CSA

Obwohl es sich theoretisch um eine gute Idee zu handeln scheint, gibt es viele Wissenschaftler, die die praktische Durchführung der Eisendüngung in Frage stellen. Um Einfluss auf das globale Klima zu nehmen, müsste das Ausmaß eines solchen Projektes gewaltig sein, was wiederum zu ungewollten Nebenerscheinungen wie massenhaften Algenblüten und der Entstehung von anoxischen Bereichen im Meer, führen könnte. Außerdem ist Kohlendioxid nicht das einzige Treibhausgas, welches zur globalen Erwärmung beiträgt. Die Rolle, die andere Gase dabei spielen, sollte ebenfalls berücksichtigt werden.