2. Verstädterung

Verstädterung und politische Antworten

Der Prozess der Verstädterung verläuft sehr unterschiedlich und zeitlich versetzt in Industrie- und Entwicklungsländern. Die Städte Europas erlebten die intensivste Wachstumsphase in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das Wachstum wurde damals überwiegend von allmählichen Zuwanderungen der Landbevölkerung, weniger von Geburtenüberschüssen in den Städten (hohe Sterberaten) getragen.

Heute spielen in den Entwicklungsländern die Geburtenüberschüsse die wichtigste Rolle. Außerdem ist das Wachstum der Städte in den Entwicklungsländern heute doppelt so hoch wie das der Industrieländer. Die meisten Immigranten steuern die vermeintlich attraktiven Megastädte an, in denen es im Gegensatz zu den aufstrebenden Städten Europas des 19. Jahrhunders nur eine geringe Anzahl von Arbeitsplätzen gibt.

Part of Monaco
Teil von Monaco.
Quelle: Google Earth

 

Der entscheidende Unterschied zu den Metropolen des Westens besteht erstens in der Wachstumsdynamik und zweitens war und ist die metropolitane Infrastruktur in den Städten der Entwicklungsländer nicht im Mindesten auf einen derartigen Ansturm vorbereitet (Bauer et al. 2005, Claaßen 2008).

Wenn schlecht ausgebildete und arme Migranten aus ländlichen Gebieten in städtische strömen, entsteht daraus eine neue Form des Proletariats, das wenig zu verlieren hat. Die Neuankömmlinge werden zusammengepfercht in überfüllten Wohnanlagen, trostlosen Mietskasernen und Slums, da der Wohnungsbau nicht mit der massiven Einwanderungsgeschwindigkeit mithalten kann. Dazu kommt, dass die Städte der Entwicklungsländer oft keine ausreichenden Bebauungspläne besitzen bzw. diese nicht, nicht genügend oder gar nicht durchsetzbar sind (De Blij, Murphy 2003, Dutt, Noble 2003)

Das Bevölkerungswachstum insbesondere in den Kernstädten der Megastädte wird bis heute von den Unterschichten getragen. Dies resultiert in einem andauernden innerstädtischen Verdichtungsprozess mit einhergehender Marginalisierung der hier lebenden Bevölkerung. Die Ober- und Mittelschichten hingegen bestimmten das suburbane Flächenwachstum (Bronger 2004).

Dennoch besitzen die Städte ungebrochene Attraktivität. "Auch wenn die Lebensbedingungen in der Stadt miserabel sind, sind sie immer noch besser als die Lebensbedingungen auf dem Land" (Bauer et al. 2005).

Aufgaben: 1. Erläutern Sie die grundsätzlichen Unterschiede der Verstädterung in Entwicklungs- und Industrieländern.
2. Prüfen Sie kritisch die Regierungsantworten in der Dritten Welt auf die rural-urbane Migration (siehe Tabelle).

Politische Antworten auf die rural-urbane Migration in der Dritten Welt

Politikansatz Argumentation Regularien und Programme
Negativ Betont die Unerwünschtheit der Migration und versucht Barrieren zu errichten um Bevölkerungsbewegungen aufzuhalten und Migranten auszuweisen Geschlossene Stadt, neue Gesetze, Abschiebung, Planieren von Elendsgebieten, zwangsweise Neuansiedlung von städtischen in ländlichen Regionen, Registierungssystem, Kontrolle der Erwerbstätigkeit, eingeschränkter Zugang zu Wohnungen, Lebensmittelrationierungen
Anpassend Akzeptiert Migranten als unausweichlich, versucht die negativen Effekte zu minimieren, sowohl im Ursprungs- als auch im Zielgebiet Slum upgrading (Verbesserung in den Elendsgebieten), Schaffung von städtischen Arbeitsplätzen, Arbeitsintensive Industrialisierung, Mindestlohn-Gesetze, Investierung in städtische Infrastruktur, verbesserte Sozialleistungen, Verbesserungen im öffentlichen Verkehr
Manipulierend Akzeptiert Migranten als unausweichlich und teilweise erwünscht, aber möchte die Migrationsströme in andere Zielorte umleiten Kolonialisierung, ländliche Siedlungen, ländliche Entwicklung, städtische, industrielle und administrative Dezentralisierung, Informationssysteme, Leitung von Kontaktnetzwerken
Präventiv Bestrebungen die Wurzeln des Problems anzugehen, durch die Bekämpfung von Armut, Ungleichheit und Arbeitslosigkeit als Ursachen, Reduzierung der Attraktivität der Städte Landreform, Intensivierung der Landwirtschaft, Ausdehnung der landwirtschaftlichen Flächen, Investitionen in die ländliche Infrastruktur, ländliche Industrialisierung, Verbesserung der Handelsbedingungen zwischen Stadt und Land, Reduzierung der städtischen Ungleichheit, Werbung für den ländlichen Raum
Hauptsächliche Politikanworten auf die rural-urbane Migration in der Dritten Welt.
Quelle: Parnwell 1993, zitiert in Pacione 2001