2. Verstädterung

Warum Menschen wandern

Zuwandernung, natürliches Bevölkerungswachstum und administrative Neuklassifizierungen von städtischen Gebieten sind die drei wichtigsten Gründe für einen heutigen Bevölkerungsanstieg in urbanen Regionen. Das meiste städtische Wachstum resultiert aus dem natürlichen Bevölkerungswachstum statt aus Einwanderung, wobei arme Schichten den größten Teil des Wachstums ausmachen (UNFPA 2008, UN-HABITAT 2001, Pacione 2001).

Migration ist kein linearer Prozess, sondern eine komplizierte menschliche Antwort auf sich wandelnde lokale Umstände in einem globalen Wirtschaftssystem, die meist aus wirtschaftlichen Gründen entsteht (vergleiche Tabelle).

Gründe für eine Migration aus dem ländlichen Nordost-Thailand

Hauptgründe Prozentsatz der Befragten, die diesen Grund nennen
Um Geld für den Haushalt zu verdienen 52,9
Um Geld für sich selbst zu verdienen 21,8
Um Geld für die Eltern zu verdienen 11,9
Für eine weitere Ausbildung 4,6
Um Geld für einen Hausbau zu verdienen 3,8
Um Geld für eine Investition in die Landwirtschaft zu verdienen 1,5
Zum Spaß 1,1
Um Geld zu verdienen um Land/ einen Landtitel zu kaufen 0,8
Andere 1,6
Gründe für eine Migration aus dem ländlichen Nordost-Thailand (N=261).
Quelle: Parnwell 1993, zitiert in Pacione 2001

Die Migration vom Land in die Städte (rural-urbane Mobilität) wird durch sog. Push- und Pull-Faktoren gesteuert. Die permanente Verschlechterung der Lebensbedingungen auf dem Lande, die Lebensperspektiven und eigenen Wünsche der Migranten (Push-Faktoren) sowie die Erwartungen, insbesondere nach Beschäftigung in der Stadt (Pull-Faktoren) bewegen die Menschen, den ländlichen, unattraktiven Raum zu verlassen und die Stadt, attraktiver Raum als Wohn- und Arbeitsplatz anzunehmen. Beide Faktoren bedingen sich unzweifelhaft gegenseitig.

Mädchen und junge Frauen haben in den Städten der Entwicklungsländern bessere Bildungs- und Berufschancen, sie lernen eher neue Technologien kennen und können ihre Selbstbestimmung besser vorantreiben als auf dem Land. Dies führt u.a. dazu, dass sie später weniger Kinder haben, wodurch sich das Bevölkerungwachstum der Städte verlangsamen und verringern kann (Latz 2007, Claaßen 2008).

 

Das Wachstum der Städte in der Dritten Welt wird zudem durch hohes Eigenwachstum gefördert. Normalerweise ist das natürliche Bevölkerungswachstum in den Städten geringer als auf dem Land, da die Menschen besseren Zugang zu Familienplanungs- und Gesundheitsdiensten haben, und die Versorgung mit Nahrung, Bildung und Unterkunft schwieriger und teurer ist. Die zugewanderte ländliche Bevölkerung hat jedoch den gesellschaftlichen Umstrukturierungsprozess der Stadtbevölkerung noch nicht vollzogen, und lebt zunächst mit ihren traditionellen Werten und Normen weiter. Dies führt, zumindest in der ersten Zuwanderergeneration, zu einer hohen Kinderzahl pro Familie.

Push- und Pull-Faktoren

Push und Pull-Faktoren
Push- und Pull-Faktoren.
Eigene Darstellung
Wer wandert?

Die Menschen wandern aus ländlichen in städtische Gebiete auf Grund von sehr schlechten ökonomischen Bedingungen in den ländlichen Regionen und nicht so sehr aus realistischen Job-Perspektiven in den Städten. Vielfach werden die Hoffnungen in den Städten nicht erfüllt. Die Industrie kann die Masse der zugewanderten Arbeiter nicht aufnehmen, weshalb der tertiäre Sektor und der infomelle Sektor in diesen Städten oft überdimensional ausgeprägt ist. Doch die Menschen wandern weiterhin in die Städte, angezogen von den sog. "Pull"-Faktoren, die meist eher in der Vorstellung exisiteren und nicht in der Realität (Claaßen 2008, De Blij, Murphy 2003, Renwick, Rubenstein 1995).

Aufgabe: 1. Erläutern Sie das Push-Pull-Modell. Begründen Sie, warum sich für den größten Teil der Zuwanderer die Erwartungen nicht erfüllen.